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Sind sie überhaupt noch relevant?

Eine Umfrage zu professionellen Meinungen über virtuelle Events in der Medizintechnik- und Pharmabranche.

MÄRZ 2021
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Zusammenfassung

Owen Mumford Pharmaceutical Services hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um die Meinungen von Teilnehmern zu Veranstaltungen der Pharma- und Medizintechnikbranche einzuholen, die im Jahr 2020 virtuell stattfinden mussten. Während die Befragten viele virtuelle Veranstaltungen, die den Erwartungen nicht entsprachen (bezüglich Inhalte, technische Plattformen, Interaktivität, Preis usw.), stark kritisierten, herrschte auch Einigkeit darüber, dass virtuelle Veranstaltungen künftig einen größeren Anteil an Workshops, Konferenzen und Messen ausmachen werden. Diese Studie ist ein Weckruf für Veranstalter, das Eventerlebnis zu überdenken und Geschäftsmodelle neu zu erfinden, um die kritischen Punkte der Befragten zu adressieren.

COVID-19, die Eventbranche und die Virtualisierung

Bis zum Ausbruch von COVID-19 war die Veranstaltungsbranche ein wirtschaftliches Schwergewicht. Ein maßgeblicher Analystenbericht zur Branche belegt, dass die direkten Ausgaben bei über 1 Billion US-Dollar lagen und dadurch mehr als 600 Milliarden US-Dollar zum BIP beitrugen. Schaut man sich aktuelle offizielle Zahlen i an, entsprach die Branche ungefähr der 23.-größten Wirtschaft der Welt, also etwa auf dem Niveau von Taiwan und Schweden.

Jetzt hat sich alles grundlegend verändert. COVID-19 hat die Rahmenbedingungen komplett umgeworfen. Bedeutende Akteure unter den Veranstaltern berichten von Umsatzrückgängen von bis zu 90%ii. Weltweit verlegen große Unternehmen ihre Konferenzen ins digitale Umfeld.

Virtuelle Events stehen nun im Mittelpunkt. Es geht nur noch darum, in Online-Formate umzuschwenken, und Veranstalter sind eifrig bemüht, neue Wege zu finden, um ihre Konferenzen und Messen in der virtuellen Welt funktionieren zu lassen. Das ist zwar ideal für Software- und Plattformanbieter, aber die entscheidende Frage bleibt für Organisatoren und Teilnehmende gleichermaßen präsent: “Sind virtuelle Events ein geeigneter Ersatz für persönliche Treffen?”

Um diese Frage speziell für die Pharma- und Medizintechnikbranche zu beleuchten, beauftragte Owen Mumford Pharmaceutical Services eine Umfrage bei führenden Pharmaherstellerniii. Die Untersuchung wurde als qualitative Studie durchgeführt, bei der die Befragten gebeten wurden, auf Basis ihrer Erfahrungen mit virtuellen Events im Jahr 2020 darzulegen, was funktioniert hat und was nicht.

Wie war also die Erfahrung 2020 bezogen auf die Teilnahme an Branchenevents? Zur Einordnung ihrer Antworten berichteten die Befragten Folgendes:-

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Die Auswertung der qualitativen Meinungen der Befragten ergab mehrere Schwerpunktthemen, die von der Mehrheit der Studienteilnehmenden genannt wurden.

“Die mangelnde Möglichkeit, Geräte vorzuführen, ist eine große Herausforderung. Die Leute wollen Produkte anfassen und ausprobieren!” – Denis Marteau, General Manager, Pharmaceutical Services bei Owen Mumford

Virtuelle Events in der Medizintechnik- und Pharmabranche – zentrale Erkenntnisse

Zufriedenheitsstandards

Die meisten Befragten stellten fest, dass die von ihnen 2020 besuchten virtuellen Branchenveranstaltungen extrem unterschiedliche Standards aufwiesen: “Manche waren hilfreich, andere schrecklich. Ich war Teilnehmer, Moderator, Referent und sogar im Organisationsteam – ich habe das volle Spektrum erlebt.” Besonders starke Kritik gab es, wenn Präsenzformate eins zu eins online verlegt wurden, ohne Rücksicht auf die Besonderheiten virtueller Formate.

Einige Teilnehmende glauben, dass virtuelle Events nur ein kleines Zeitfenster haben, um überzeugen zu können: “Ich finde, das ist alles noch sehr neu, und wenn vieles schiefgeht, wollen die Leute vielleicht zurück zum Alten. Dennoch dürfte es logisch immer mehr Online-Events geben. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die Welt nicht zumindest ein Stück weit auf Remote und Virtuell ausrichtet.”

Technologieplattformen

Zuverlässige Technologie ist ein klarer Schwerpunkt: “Die Veranstaltung sollte auf einfach zugänglicher Technik basieren, auf die alle zugreifen können, egal welche Firewall sie haben.” Es geht allerdings nicht nur um Plattformen. Wie ein Teilnehmer betonte: “Oft gibt es (oder?) nicht die volle Aufmerksamkeit der Teilnehmenden, daher müssen Konferenzen knackiger und fesselnder sein – mit anerkannten Daten, die die Aussagen untermauern.”

Tatsächlich, so die Mehrheit der Befragten, muss das gesamte Veranstaltungsformat neu und strategisch gedacht werden: “Wenn ein virtuelles Event Leute begeistern soll, muss es wirklich gut gemacht sein. Es reicht nicht, einfach nur eine Agenda in Zoom zu werfen und alle einwählen zu lassen. Es muss etwas Kreatives geben, das die Leute mitreißt.”

Die weit verbreitete Ansicht ist, dass für virtuelle Branchenevents (nahe) Zukunft mehr Überlegung, Forschung, Beratung und Kreativität nötig sind. “Authentizität” wurde von vielen als relevantes Qualitätsmerkmal genannt, wie ein Teilnehmer zusammenfasst: “Wir alle haben uns während der Pandemie bei der Nutzung von Live-Videotechnik weiterentwickelt, daher waren eventuell befürchtete technische Probleme weniger gravierend. Dafür sind andere Dinge schiefgegangen, die nichts mit dem Live- oder Interaktiv-Charakter zu tun hatten. Unsere Toleranz für unperfekte Videodarstellungen (statt auf Hochglanz polierte Webinare) macht Gespräche tatsächlich authentischer – fast wie echte Dialoge. Die virtuellen Konferenzen, die mir am meisten gefallen haben, waren alle 100% live.”

Die Bedeutung des Netzwerkens

Die große Mehrheit war der Ansicht, dass virtuelle Veranstaltungen im Bereich Networking mit anderen Teilnehmern besondere Schwächen aufweisen. “Man verliert einen Teil der Networking-Gelegenheiten, darum muss klar sein, was [im Detail] die Veranstaltung tatsächlich bietet, denn man bekommt dieses natürliche Netzwerken vor Ort eben nicht”, so ein Teilnehmer. Ein anderer ergänzt: “Was diesen digitalen Events fehlt, ist mehr echte Interaktion und Netzwerken. Wir gehen nicht nur zu Events, um Branchennews zu erfahren, sondern vor allem auch, um unser Netzwerk aus Partnern und Mitstreitern zu treffen.” Insgesamt wünschten sich viele Befragte, dass Veranstalter mehr in virtuelle Networking-Lösungen investieren.

“Ein virtueller Messestand ist niemals so effektiv wie das Original – und fehlende Networking-Chancen sind schwierig.” – Olivia Houselander, Business Development Manager bei Owen Mumford Pharmaceutical Services

Hochwertige, umsetzbare Inhalte

Hinsichtlich der Inhalte, die Teilnehmende zu virtuellen Events locken könnten, zeigte sich Einigkeit in einigen Hauptthemen.

Erstens wünschen sich Befragte mehr Budget für echte Branchengrößen, Präsentationen und Interaktion mit Meinungsführern der Industrie: “Man muss mehr in Star-Redner investieren. Diese Branchenführer sind meist Leute aus Big Pharma, Geräteherstellen, beratende Experten oder auch aus den Gesundheitsbehörden wie FDA/EMA oder Personen, die aus solchen Positionen in den Ruhestand gewechselt sind und nun ihr Wissen teilen.”

Auch betonten die Befragten, dass virtuelle Veranstaltungen handfeste, praxisnahe Take-aways liefern müssen, um die Kosten (Geld und Zeit) zu rechtfertigen: “Unser Unternehmen will für sich bewerten… schneller Marktzugang, kommerzielle Zulassung, Benchmarking zwischen uns und anderen Unternehmen, Leistungsvergleich… ein Benchmark, um das Niveau im jeweiligen Krankheitsfeld einordnen zu können – das brauchen wir.” Weitere Themen, die als geeignet für virtuelle Veranstaltungen genannt wurden, waren z.B.: nachhaltige/verzögerte Arzneimittelabgabe, viskose Injektionslösungen, bionische Bauchspeicheldrüse, neue Normen wie ISO11608, Konnektivität und vieles mehr. Fast alle betonten die Notwendigkeit von Belegen: “Alles muss mit Daten untermauert sein – bloße Meinungen reichen nicht …”

Mehr Spezifität

Die grundsätzliche Offenheit gegenüber virtuellen Events ging mit dem Wunsch nach thematischer Präzision einher. Ein Teilnehmer bringt es auf den Punkt: “Ich finde, wenn das Thema sehr spezifisch ist, z. B. Biokompatibilität mit technischen Details, bin ich sehr gern dabei – virtuell statt mit Reiseaufwand. Da das Thema Nachhaltigkeit zunehmend wichtig wird, versuchen Unternehmen ohnehin, Reisen zu sparen.” Ein anderes Beispiel aus der Runde: “Uns interessiert v. a. neue Technologie mit echtem Leistungs-Unterschied oder eine wissenschaftliche Präsentation, die sich detailliert mit einem Problem befasst, das etwa zu Fehlern bei Injektionsgeräten geführt hat. Z. B. eine Konferenz zu einer neuartigen Silikonsierung, die stabile Anstich- und Gleitkräfte erzeugt. Ich will wissen, wie das gemacht wird, wer das tut und wie wir profitieren könnten.” Auch exakte Beschreibungen sind gefragt: “Der Druck liegt bei den Veranstaltern, das Angebot klar und ehrlich zu kommunizieren, um uns beim nächsten Mal wieder zur Teilnahme zu bewegen. Wenn es Verschleierung gibt, ist das Zeitverschwendung – und, ehrlich gesagt, kommt man dann nicht wieder.”

Neue Arbeitsweisen

Zusätzlich zu klinischen und technischen Aspekten wurden neue Arbeitsweisen während und nach COVID-19 häufig als wichtiges Thema für virtuelle Events genannt: “Wichtig ist, wie sich die Pandemie auf das Geschäft, die Abläufe, die Produktentwicklung, Schwerpunkte und Arbeitsprozesse ausgewirkt hat. Es ist spannend zu sehen, wie andere reagieren und Best Practices adaptieren! Wie läuft die Entwicklung von Kombinationsprodukten – insbesondere, wenn Human Factor-Studien nötig sind, bei denen Patienten Produkte testen? Wie kann das im virtuell-distanten Modus klappen?” Ein weiterer Kommentar: “Wir möchten gern gute Marktforschungsmethoden mit Patienten teilen. Wie funktioniert Fern-Marktforschung mit Patienten – das ist spannend!” Ein anderer Aspekt: “Man sollte auch auf die Organisation schauen… wie haben sich Teamdynamiken verändert, was sind Best Practices für virtuelle Teams? Wie gelingt die Zusammenarbeit mit Labor- oder Produktionsmitarbeitern? Genauso bei neuen Produktentwicklungen oder Scale-up-Prozessen… wie macht man das im Umfeld, in dem viele virtuell arbeiten?”

Preisgestaltung und Kosten

Ein zentrales Thema für Veranstalter von Kongressen und Messen ist das Preis-Leistungs-Verhältnis aus Sicht der Befragten. Die allgemeine Meinung: Virtuelle Events sollten deutlich günstiger sein als Präsenzveranstaltungen: “Wenn die Teilnahme günstiger ist (was ich ohne Konferenzhalle und Co. annehme) und flexibel – man kann Arbeit und Teilnahme leichter kombinieren – dann können virtuelle Events funktionieren und beliebter werden. Ist es dasselbe Preisniveau, klappt es nicht… außer es gibt wirklich starke neue Mehrwerte.”

Dennoch geht der überwiegende Tenor davon aus, dass virtuelle Events in den nächsten Jahren zum Standard werden, wenn sie klug durchdacht sind. Inhalte sollten abwechslungsreich sein: “Mir ist wichtig, dass es Vielfalt gibt. Ich möchte nicht immer dieselbe Veranstaltung mit denselben Referenten besuchen.” Die Preisgestaltung sollte verschiedene Teilnahmemodelle ermöglichen: “Da viele Unternehmen echte Nachhaltigkeitsziele verfolgen, wird es künftig vermutlich hybride Formate geben – virtuell und präsent. Die Preise könnten so ausgestaltet werden, dass sie die Teilnahme fördern – etwa, weil Anreise entfällt – oder dass Einzelpersonen gezielt für bestimmte Themen/Sessions dabei sind.”

Dauer und Modularität

Die Dauer virtueller Veranstaltungen bleibt Diskussionsthema: “Momentan habe ich keine Lust, einen ganzen Tag in einer virtuellen Konferenz zu verbringen. Eine Veranstaltung mit Workshops oder informellen Treffen ist besser realisierbar. Es sei denn, das Thema interessiert mich sehr – ansonsten max. zwei Stunden.” Das spiegelt den Tenor der meisten Befragten wider und unterstreicht die Bedeutung eines modularen Aufbaus für virtuelle Events.

Konzentration und Interaktivität hängen laut den Befragten eng zusammen. Ein Zitat: “Etwas, woran sich alle gewöhnen mussten – was aber positiv war – war eine Live-Q&A-Box, die während Präsentationen sichtbar war, egal ob Einzelvortrag oder Podium. In manchen Konferenzen wurden die Q&A-Fragen ausgewählt und vorgetragen – das ist zu viel Aufwand. Die Leute sollten ihre Fragen live tippen… Ich habe ein Panel mit 18 Teilnehmern moderiert, das lief super, und das Feedback war großartig. Mehr Fragen wurden beantwortet als in einer Live-Umgebung!”

Neue Modelle

Insgesamt zeigte dieses Projekt, dass von den Befragten viele kreative Ideen für künftige Events kamen. Eine Anregung: “Vielleicht gibt es mehr hybride Events – regional treffen sich 20-30 Leute und schalten sich zu anderen Hubs weltweit. So entsteht ein Gemeinschaftsgefühl – ohne dass alle an einem Ort sind. Wir haben so etwas bereits erlebt – klappt gut. Weniger Reisen, aber trotzdem ein Stück weit der Nutzen persönlicher Begegnungen. Ich glaube kaum, dass jemand denkt, dass wir wieder auf das frühere Reise-Niveau zurückfallen. Die meisten sind sich einig: Wir sind früher zu viel gereist.”

Fazit

Zusammengefasst waren die Befragten von vielen virtuellen Veranstaltungen im Jahr 2020 eher enttäuscht; dennoch bleiben die Aussichten für virtuelle Events insgesamt positiv. Veranstalter müssen künftig deutlich mehr Aufwand in die Konzeption erfolgreicher virtueller Events stecken – Inhalte, Teilnehmenden-Engagement und Networking stehen dabei besonders im Fokus. Ein typisch optimistischer Kommentar bringt es auf den Punkt: “Ich bin sicher, virtuelle Veranstaltungen werden beliebter werden und künftig mit höherwertigen Methoden umgesetzt. Es bringt Vorteile wie geringere Reisekosten und weniger Geschäftsunterbrechungen durch Konferenzen auswärts. Gelingt es den Veranstaltern, diese Herausforderung zu meistern, profitieren wir vielleicht davon, künftig viel mehr Events konsumieren zu können.”

“Mir fehlen die spontanen Gespräche, die es auf Konferenzen gibt – und natürlich die Möglichkeit, neue Technologien live zu demonstrieren. Immerhin, als Positivum: Weniger Flugmeilen hat letztes Jahr unseren CO2-Fußabdruck reduziert.” – Sian Eden, Business Development Manager: Drug Delivery bei Owen Mumford Pharmaceutical Services

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an pharmaservices@owenmumford.com

Referenzen

  • i. https://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-gdp

  • ii. EV=NT (Skift). The Future of the Event Industry, 2021 Outlook

  • iii. Methodik: Owen Mumford beauftragte MindMetre Research mit einer Studie von September 2020 bis Januar 2021 unter den weltweit umsatzstärksten Pharmaunternehmen. Insgesamt wurden 30 Führungskräfte telefonisch und/oder per E-Mail interviewt. Von diesen 30 Befragten kamen 21 aus den weltweit führenden 50 Pharmaunternehmen. Die Teilnehmer wurden gebeten, ihre Ansichten zur Teilnahme an virtuellen Branchen-Events 2020, deren Erfolg/Misserfolg sowie zu Best Practices, bevorzugten Inhalten, Features und Preisen mitzuteilen.

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