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Eine Prognose zur Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie

Die Pharmaindustrie spielt eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft. Pharmaunternehmen bemühen sich, ihre CO2-Bilanz zu senken, Umweltverschmutzung zu vermeiden, Wasser zu sparen und nachhaltige Komponenten einzusetzen.

OKTOBER 2022
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Lieferanten und Partner für Arzneimittelverabreichungsprodukte setzen sich ebenfalls stark dafür ein, dass die gesamte Lieferkette ihre Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) verbessert. ESG-Nachweise werden zunehmend zu einer unverzichtbaren Voraussetzung für pharmazeutische Ausschreibungen auf allen Ebenen der Lieferkette. Pharmaunternehmen möchten nicht nur Ambitionen, sondern auch konkrete Maßnahmen in Richtung nachhaltiger Entwicklung nachweisen – gegenüber Kunden, Entscheidungsträgern und Akteuren im Gesundheitswesen.

Als wichtiger Partner für Verabreichungsgeräte von Pharmaunternehmen hat Owen Mumford Pharmaceutical Services den aktuellen Stand der ESG-Compliance in der Pharmaindustrie bei den 25 führenden Unternehmen mit ESG-Berichterstattung analysiert. Dieser Artikel stellt die bisherigen Erfolge sowie die wichtigsten Bereiche mit Verbesserungspotenzial dar.

Zielsetzungen aufzeigen

Um den Fortschritt der Pharmaindustrie im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung richtig zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst zu definieren, wie Erfolg aussieht. Berichte konzentrieren sich häufig auf die gleichen vier Hauptziele für nachhaltiges Wirtschaften:

  1. Reduzierung von CO2-Emissionen durch besseren Energieeinsatz und Festlegung von Netto-Null-Zielen.
  2. Steigerung der Wassernachhaltigkeit durch Senkung des Verbrauchs in der Produktion und Entfernung von Arzneimittelrückständen aus dem Wasserkreislauf.
  3. Verbesserung des Abfallmanagements durch Verringerung übermäßiger Verpackungen und wirkungsvollere Rückgewinnung und Entsorgung gebrauchter Produkte.
  4. Nachhaltigkeit von Anfang an durch grüne Chemie-Initiativen, Rückgewinnung von Chemikalien und Entwicklung wiederverwendbarer Verabreichungssysteme.

Die Analyse fokussiert sich auf ESG-Ziele, die speziell für den Pharmasektor und seine Zulieferer gelten. Der Bericht betrachtet zudem nicht nur festgelegte ESG-Richtlinien, sondern auch öffentlich formulierte, konkrete Zielsetzungen von Unternehmen.

Fortschritte

Die Pharmaindustrie hat damit begonnen, wichtige Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft zu erzielen: Im Climate Reporting Performance Report von Ecoact aus Oktober 2021 zählen drei biopharmazeutische Unternehmen zu den weltweit zwanzig nachhaltigsten Konzernen. Im Branchenvergleich lag Biopharma in allen entscheidenden Kategorien wie Zielsetzungen, Governance und Umsetzung deutlich vor anderen Industrien. Herausragende Verbesserungen zeigen sich in vier Kernbereichen: Energie, Wasser, Abfall und Luftemissionen.

Am meisten konzentrieren sich Pharmakonzerne auf Ziele im Bereich Luftemissionen. Knapp 70% der Unternehmen haben hier spezifische Ziele zur Verringerung von Emissionen, sowohl für CO2-Emissionen als auch für gasförmige Schadstoffe. Zu den typischen Schadstoffen, die herausgefiltert werden, zählen Säuregase, Staub und Aerosole, pharmazeutische Wirkstoffe sowie flüchtige organische Verbindungen, die der Umwelt schaden können.

Darüber hinaus hat der sehr energieintensive Sektor Maßnahmen ergriffen, den Energieverbrauch zu senken. Die meisten Energieprogramme setzen auf eine Mischung aus erneuerbaren Energiequellen, Eigenerzeugung und eine Steigerung der Energieeffizienz durch Reduzierung des Bedarfs in der Produktion.2 Die Senkung des Energieeinsatzes im Herstellungsprozess kann die Produktionslinie oder auch die Gebäude betreffen – typischerweise werden Einsparungen von 25% erzielt, teils sogar deutlich mehr.3

Die Maßnahmen für einen nachhaltigeren Wasserverbrauch zielen nicht nur auf Einsparungen ab, sondern auch auf Reinigung und Wiederaufbereitung – entweder zur Wiederverwendung oder zur Rückführung ins Wassernetz. Ein international tätiges Unternehmen strebt bis 2025 volle Wasserneutralität an, also die vollständige Wiederverwertung und Nutzung von Abwasser inklusive Nutzung von Regenwasser. Unsere Analyse zeigt, dass bereits rund 50% der Pharmaunternehmen feste Zielwerte in diesem Bereich gesetzt haben.

Auch beim Abfallmanagement entwickelt sich vieles in die richtige Richtung, denn eine große Zahl von Unternehmen hat Ziele definiert. Mehr als ein Viertel der Pharmafirmen strebt an, ihre Abfallmengen um mindestens 25% zu reduzieren. Ziel ist, Deponien möglichst zu meiden oder gar eine vollständige Abfallvermeidung zu erreichen. Dafür können wirtschaftliche Anreize sorgen, da Entsorgungsgebühren steigen.4

Beim Thema Einwegkunststoffe in Arzneimittelverabreichungsgeräten werden Alternativen wie abbaubare Kunststoffe diskutiert und kritisch geprüft. Erste Fortschritte erfolgen jedoch insbesondere dadurch, dass der Anteil an Einwegteilen verringert wird. Ein Beispiel für nachhaltiges Produktdesign ist Auto, das Partnern dabei hilft, Plastikmüll entlang ihrer Lieferkette zu reduzieren.

Verbesserungsbedarfe

Obwohl die Branche vorankommt, bleiben Probleme bestehen, die Aufmerksamkeit erfordern. Statistiken können dabei oftmals grundlegende Probleme verschleiern. Beispielsweise erreicht die Branche insgesamt im Ecoact-Bericht einen ESG-Score von 61% – deutlich über dem branchenübergreifenden Durchschnitt von 53% – doch die einzelnen Unternehmen weisen enorme Unterschiede auf.

Unsere Untersuchung ergab eine Spannweite von 40% zwischen Spitzenreitern und Nachzüglern. Diese Bandbreite muss verringert werden, bevor die großen Pharmaunternehmen insgesamt als auf dem richtigen Weg zur Nachhaltigkeit gelten können. Darüber hinaus spielen weder Standort noch Unternehmensgröße bei der Einführung von Verbesserungen eine entscheidende Rolle. Hoch engagierte kleine Unternehmen liegen nicht weit hinter den führenden multinationalen Konzernen – was darauf hindeutet, dass Unternehmenskultur und Engagement genauso wichtig sind wie größere Budgets, um bessere ESG-Bewertungen zu erzielen.

Neben der deutlichen Differenz zwischen den besten und schlechtesten Unternehmen in der Pharmabranche gibt es branchenweite Schwachstellen. Ein Beispiel ist der Themenbereich Kontamination. Zwar verfügen 84% der Unternehmen über eine Richtlinie zum Umgang mit Arzneimitteln in der Umwelt (PiE) und 36% haben eine Richtlinie zur Vermeidung von antimikrobiellen Resistenzen (AMR), doch gibt es kaum konkrete Zielvorgaben.

Die AMR Alliance – eine Initiative der Branche zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen – stellt fest: “Emissionen aus der Herstellung sowohl aktiver pharmazeutischer Wirkstoffe (APIs) als auch ihrer Formulierung zu Medikamenten bilden eine weitere Quelle für Umwelteinträge… In Ländern mit unzureichender Kontrolle wurden in der Nähe von Antibiotikafabriken sehr hohe Rückstandswerte festgestellt.”5 Verschiedene Studien bestätigen diese Erkenntnisse. Die Kontamination durch pharmazeutische Rückstände bleibt somit eine der größten Herausforderungen für die Branche.6

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Verpackung. Hier können vergleichsweise einfach Maßnahmen ergriffen werden. In vielen Branchen wurden Verpackungen, insbesondere im Distributionsprozess, angepasst. Während 76% der Pharmaunternehmen entsprechende Richtlinien haben, haben lediglich 13% konkrete Ziele definiert. Verpackungen könnten – sofern medizinisch zulässig – durch nachhaltigere Alternativen wie Papier ersetzt werden, und eine Reduktion von Gewicht und Volumen würde den Rohstoffverbrauch beim Transport verringern.
Einige führende Unternehmen haben sich hier bereits ambitionierte Ziele gesetzt und prüfen, wo ein Ersatz den größten Nutzen für die Umwelt bringt und wo die Originalverpackung beibehalten werden sollte. Dieser Bereich dürfte in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen und großflächige Veränderungen nach sich ziehen.

Fazit

Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, dass die Pharmaindustrie bei der Nachhaltigkeit auf einem guten Weg und anderen Branchen voraus ist – dennoch bleibt Arbeit. Entlang der gesamten Lieferkette sind Standards einzuführen, um auch die sogenannten Scope-3-Emissionen zu adressieren. Gemeinsames Handeln zwischen Pharmafirmen und ihren Zulieferern oder auch untereinander könnte den Wandel beschleunigen und aktives Handeln fördern. Bereiche wie Kontamination und Verpackung benötigen klare, messbare Zielvorgaben, um echte Fortschritte zu erzielen. Wer heute Initiativen auf den Weg bringt, ist Vorreiter – die breite Masse wird folgen.

Referenzen

  • 1. Ecoact, The Climate Reporting Performance of the DOW 30, EURO STOXX 50 und FTSE 100: 11. Ausgabe, 2021 https://info.eco-act.com/en/ climate-reporting-performance-research-2021

  • 2. Fierce Pharma, The energy switch: Big Pharma harnesses sun, wind and water in quest for a low-carbon future, 15 October 2021 https://www. fiercepharma.com/pharma/solar-wind-waterpharma- go-planet-astrazeneca-novo-nordisknovartis- and-amgen-talk-renewable

  • 3. PwC, Towards a Net Zero future in pharma – the role of continuous manufacturing, 17. Februar 2021 https://pwc.blogs.com/health_ matters/2021/02/towards-a-net-zero-future-inpharma- the-role-of-continuous-manufacturing. html%20

  • 4. Let’s Recycle.com, Waste bills to rise as costs jump, 28. Januar 2020, https://www. letsrecycle.com/news/waste-bills-to-rise-ascosts- jump/

  • 5. AMR Industry Alliance, Making antibiotics responsibly: A common manufacturing framework to tackle antimicrobial resistance https://www.amrindustryalliance.org/wpcontent/ uploads/2019/11/Making-antibioticsresponsibly_ A-common-manufacturingframework- to-tackle-AMR.pdf

  • 6. Siehe beispielsweise Pharmaceutical waste and antimicrobial resistance, Ahmad, Akram et al. The Lancet Infectious Diseases, Volume 17, Issue 6, 578–579 https://www.thelancet.com/journals/ laninf/article/PIIS1473-3099(17)30268-2/fulltext

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