Jesper Jonsson, Director of Medical Devices, blickt auf die bisherigen Erfolge des familiengeführten Unternehmens zurück und spricht über seine Ziele für die kommenden Jahrzehnte.
Wie wurde Owen Mumford gegründet?
Das Unternehmen wurde 1952 von Ivan Owen und John Mumford gegründet. Die Anfänge lagen in einer kleinen Garage, in der bestehende Medizinprodukte verbessert wurden.1 Anschließend begaben sie sich an die Entwicklung von Aluminiumformen für die kunststoffverarbeitende Industrie. Mit ihrem Wissen über die neuesten Formgebungsverfahren begannen sie, eigene medizinische Geräte zu entwickeln.2 Aus dem kleinen, familiengeführten Betrieb in Woodstock bei Oxford ist mittlerweile ein weltweit agierender Innovator im Bereich der Medizintechnik geworden, der als zuverlässiger Partner für einige der größten pharmazeutischen und diagnostischen Unternehmen gilt und Standorte in den USA, Frankreich, Deutschland und Malaysia hat.
Owen Mumford hat in den vergangenen 70 Jahren zahlreiche Weltneuheiten hervorgebracht, angefangen mit dem ersten automatischen Stechhilfegerät für Diabetes. Welche Auswirkungen hatte diese erste Innovation?
Nach einem Gespräch mit zwei Professoren des Diabetes Research Laboratory in Oxford im Jahr 1977 erhielt Owen Mumford die Möglichkeit, ein weltweit einzigartiges medizinisches Gerät zu entwickeln: das erste automatische Stechhilfegerät für Diabetes. Autolet wurde 1978 auf den Markt gebracht, wodurch sich das Unternehmen als Innovator im Bereich Medizintechnik etablierte und weltweit die Blutzuckermessung für Diabetiker wesentlich vereinfachte.
Wir sind zudem stolz darauf, das erste automatische Plastik-Autoinjektorgerät (Autoject) entwickelt zu haben, das Patienten aller Altersstufen die eigenständige Anwendung von Injektionen erleichtert. Weitere Innovationen sind der automatische Insulinpen (Accupen) sowie die erste Kombination aus Pen-Nadel und Nadelentferner (Unifine Pentips Plus).
Das Diabetes-Portfolio von Owen Mumford umfasst eine Sicherheits-Pennadel mit aktiver Sicherung. Welche Vorteile hat der Einsatz eines aktiven Produkts, bei dem der Sicherheitsmechanismus manuell aktiviert werden muss?
Bei unserer Unifine SafeControl3 Sicherheits-Pennadel aktivieren die Anwender den Sicherheitsmechanismus, indem sie nach der Injektion einen Drückknopf betätigen, um die Nadel zurückzuziehen. So kann sichergestellt werden, dass die gesamte Dosis tatsächlich verabreicht wurde, bevor die Nadel zurückgezogen wird – das gibt zusätzliches Vertrauen.
Für maximalen Schutz hören und sehen die Nutzer, dass die Sicherung aktiviert wurde. Nach der Injektion schützt eine Kappe beide Enden der Nadel. Da die Nadel sichtbar ist, behalten Anwender jederzeit die Kontrolle während des Vorgangs. Die Sicherheitsnadel funktioniert in der Anwendung genauso wie eine herkömmliche Pennadel, sodass die Injektion möglichst intuitiv bleibt.
Stellt Owen Mumford neben Diabetes-Produkten auch Medizinprodukte für andere therapeutische Bereiche her?
Wir haben zwar mit Produkten für Diabetes angefangen, aber wir entwickeln inzwischen auch Medizinprodukte für andere Therapiegebiete. In diesem Jahr haben wir unsere neue Produktreihe für die venöse Blutabnahme eingeführt. Aufbauend auf unserem Know-how und unserer Erfahrung im Bereich Kapillarblutentnahme, haben wir eine Serie entwickelt, die Sicherheit, Komfort und Qualität in den Vordergrund stellt. Nadelstichverletzungen sind in vielen klinischen Umgebungen ein ernstzunehmendes Problem – unsere Geräte helfen, Patientinnen, Patienten und medizinisches Personal gleichermaßen zu schützen.
Besonders stolz sind wir auf Simplitude ByMe, einen HIV-Selbsttest für zuhause, der in weniger als 15 Minuten ein Ergebnis liefert. Unsere Zusammenarbeit mit HIV Scotland und der Terrence Higgins Trust hat dafür gesorgt, dass in Schottland 7.000 Testkits zur Verfügung gestellt werden konnten, um die Generation Zero-Kampagne zum Ziel eines HIV-freien Generation zu unterstützen.
Außerdem gibt es eine zweite Abteilung, Owen Mumford Pharmaceutical Services. Sie ist spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Injektionssystemen für die Verabreichung von Arzneimitteln für die pharmazeutische, biotechnologische und Generika-Industrie. Diese Systeme werden weltweit täglich für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Unterstützt werden die Produkte von einem Team aus pharmazeutischen Fachleuten, die gemeinsam mit Partnern neue Lösungen entwickeln.
Zum Produktportfolio von Pharmaceutical Services gehören UniSafe, ein federloses, passives Sicherheitssystem für Fertigspritzen, und Aidaptus, ein zweistufiger Einweg-Autoinjektor, der sich mit nur einem Gerät an verschiedene Füllvolumina anpassen lässt und so eine flexible Lösung während Entwicklung und Lebenszyklusmanagement ermöglicht.
Wie hebt sich das Unternehmen ab?
Wir suchen Talente in allen Disziplinen, von Design bis Ingenieurwesen, um aus innovativen Ideen marktfähige Produkte zu machen – mit dem Ziel, das Leben von Patienten zu verbessern. Wir sprechen sowohl mit Patienten als auch mit medizinischem Fachpersonal, um zu verstehen, wie Medizinprodukte genutzt werden, welche Risiken auftreten, was frustriert und worauf Wert gelegt wird. Diese Erkenntnisse und unser interdisziplinäres Team, zu dem auch Entwicklungsingenieure, Experten für Human Factors und Patentanwälte gehören, helfen uns dabei, benutzeroptimierte Produkte zu entwickeln. Wir suchen laufend nach Lösungen für bestehende Probleme, sodass unser Produktangebot stetig weiterentwickelt und verbessert wird.
Nachhaltigkeit ist eine zentrale Herausforderung und Priorität für jede Branche. Hersteller von Einweg-Medizinprodukten müssen Umweltaspekte und Infektionsschutz miteinander in Einklang bringen. Wie geht Owen Mumford dieses Thema an?
Nachhaltigkeit in der Medizintechnik erfordert ein umfassendes Verständnis für Prozesse und Abläufe. Wir arbeiten daran, unsere Betriebsabläufe in allen Bereichen zu optimieren, um die Umweltbelastung zu reduzieren. Dazu haben wir uns bereits zu mehreren Initiativen bekannt, die uns bei unseren Nachhaltigkeitszielen unterstützen. Durch unseren Beitritt zur Science Based Targets initiative (SBTi)4 konnten wir ermitteln, wie schnell wir unsere Treibhausgasemissionen senken können. Mit diesen Zielen sind wir zuversichtlich, bis 2045 Netto-Null zu erreichen und die Emissionen bis 2030 zu halbieren. Um dies transparent zu dokumentieren, haben wir uns einer unabhängigen externen Prüfung unterzogen und damit die B Corp Akkreditierung5 erhalten – wir sind sehr stolz darauf, einer der ersten Medizintechnik-Hersteller weltweit mit dieser Zertifizierung zu sein.
Die Zielsetzung ist wichtig, und wir haben auch schon konkrete Fortschritte erzielt. Unsere Standorte im Vereinigten Königreich werden inzwischen zu über 99 % mit erneuerbarer Energie betrieben, einschließlich selbst erzeugtem Solarstrom. In Großbritannien, den USA und Malaysia haben wir unsere CO2-Emissionen aus Scope 1 und 26 bereits um 27,3 % senken können.
Was beinhaltet die B Corp-Bewertung und warum haben Sie sich dafür entschieden?
Nachdem wir unsere Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) festgelegt hatten, schien die B Corp-Zertifizierung der logische nächste Schritt auf unserem Weg zur Nachhaltigkeit. Die B Corp-Zertifizierung ist jedoch mehr als ein Nachweis für Owen Mumford’s Umweltengagement; sie umfasst auch weitere Aspekte verantwortungsvoller Unternehmensführung. Die Bewertung beleuchtet umfassend verschiedene ESG-Bereiche (Environmental, Social, Governance) und prüft, ob die Prozesse für die Zukunft geeignet sind, in der Unternehmen nicht nur profitorientiert wirtschaften.
Wir hielten es für wichtig, unsere Fortschritte extern bewerten zu lassen, um unseren Nachhaltigkeitsbemühungen mehr Gewicht zu verleihen. Insbesondere war uns die B Corp-Akkreditierung wichtig, da sie kein statischer Standard ist. Sie hilft uns kontinuierlich an den ESG-Benchmark-Zielen zu arbeiten und immer neue Maßstäbe zu setzen. Jedes Jahr veröffentlichen wir unseren Responsible Action Report7 auf der Owen Mumford-Website, um die Entwicklung bei jedem Ziel transparent darzustellen. Für Unternehmen ist es von großem Wert, ihr Engagement zu teilen, damit wir gegenseitig voneinander lernen können – wir hoffen auf mehr Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.
Der Responsible Action Report 2022 zeigt auf, wie Owen Mumford Frauen im Ingenieurwesen unterstützt. Können Sie uns dazu mehr erzählen?
Eines unserer gewählten SDGs ist die Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit im Unternehmen. Ein Beispiel dafür ist unser Training-Programm für Führungskräfte und Management, das unter anderem unbewusste Vorurteile anspricht und einheitliche Schulungen durch externe Experten für alle Mitarbeitenden bereitstellt.
Da Frauen weniger als ein Drittel der Beschäftigten im MINT-Bereich ausmachen,8 möchten wir einen Beitrag dazu leisten, dieses Ungleichgewicht zu verringern. Kooperationen mit Schulen und Hochschulen vor Ort sowie die Förderung von Programmen für Berufseinstieg, Ausbildung und Praktika sind nur einige der Maßnahmen, die wir unterstützen. Seit 2017 überwachen wir außerdem mögliche Unterschiede in der Bezahlung von Männern und Frauen an all unseren Standorten und gehen diese aktiv an.
Wie geht es weiter bei Owen Mumford?
Bei Owen Mumford stehen spannende Zeiten bevor! Derzeit entsteht in Witney, Oxfordshire, eine neue hochmoderne Produktionsstätte. Für die 14 Millionen Pfund teure Anlage bildet Nachhaltigkeit die Basis, um die BREEAM-Zertifizierung9 zu erhalten, welche die wirtschaftliche Nachhaltigkeit bewertet. Mit dem Standort setzen wir einen neuen Maßstab für Design und Entwicklung von Medizintechnik – ein Zentrum für Exzellenz in Automatisierung und Montage entsteht.
Zusätzlich begrüßten wir zu Jahresbeginn unseren neuen Director of Research & Development.10 Bal Johal bringt umfangreiche Erfahrung aus der Medizintechnik- und Pharmabranche mit, unter anderem aus früheren Tätigkeiten bei Circassia, GlaxoSmithKline, Pfizer und Mundipharma Research Ltd. Ihr Fachwissen ist für die Entwicklung innovativer Produkte, welche die Anwendung für medizinisches Fachpersonal und Patienten verbessern, von entscheidender Bedeutung.
Referenzen
1. The Times. (2008). John Mumford and family. https://www.thetimes.co.uk/article/john-mumford-and-family-sp953q95p5p
2. Labmate Online. (2012). Owen Mumford Celebrates 60th Anniversary 1952-2012. https://www.labmate-online.com/news/news-and-views/5/owen-mumford-ltd/owen-mumford-celebrates-60th-anniversary-1952-2012-nbsp/22767
3. https://www.owenmumford.com/en/medical-devices/diabetes-care/unifine-safecontrol/safety-pen-needle
4. Science Based Targets initiative – https://www.owenmumford.com/en/node/404
5. https://www.bcorporation.net/en-us/certification
6. https://ghgprotocol.org
7. https://www.owenmumford.com/sites/owen-mumford/files/owen-mumford/responsibility/Responsible Action Report 2022_0.pdf
8.AAUW. The STEM Gap: Women and Girls in Science, Technology, Engineering and Maths. www.aauw.org/resources/research/the-stem-gap
9. https://bregroup.com/products/breeam/how-breeam-works/
10. https://www.owenmumford.com/en/owen-mumford-appoints-new-director-research-and-development