Wir feiern uns 70-jähriges Bestehen: Owen Mumford berichtet über seinen Weg hin zu intelligenterer und nachhaltigerer Produktion im Gesundheitswesen
Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des Medizinprodukteherstellers Owen Mumford reflektiert Jesper Jonsson, Director of Medical Devices, die bisherigen Erfolge des Familienunternehmens und erläutert dessen Ziele für die kommenden Jahrzehnte.
Wie entstand Owen Mumford?
Das Unternehmen wurde 1952 von Ivan Owen und John Mumford gegründet. Zunächst arbeiteten die beiden Tüftler in einer kleinen, abschließbaren Garage an der Verbesserung bestehender Medizinprodukte. [1] Nach einiger Zeit wandten sie sich der Konstruktion von Aluminiumgussformen für die Kunststoffspritzgussindustrie zu. Mithilfe des so erworbenen Wissens über modernste Formtechniken begannen sie schließlich damit, eigene Medizingeräte zu entwerfen. [2] Seither ist das Unternehmen von einem kleinen Familienbetrieb in Woodstock, in der Umgebung der englischen Ortschaft Oxford, zu einem der weltweit bekanntesten Medizinproduktehersteller und dem zuverlässigen Partner einiger der größten Pharma- und Diagnostikunternehmen herangewachsen und betreibt Niederlassungen in den USA, Frankreich, Deutschland und Malaysia.
In den vergangenen 70 Jahren entwickelte Owen Mumford mehrere Weltneuheiten, von denen die erste eine automatische Stechhilfe für Diabetespatientinnen und -patienten war. Welche Bedeutung hatte diese erste Innovation?
Nach einem Gespräch mit zwei Professoren des Diabetesforschungslabors in Oxford im Jahr 1977 erhielt Owen Mumford die Gelegenheit, ein einzigartiges Medizinprodukt zu entwickeln und herzustellen: die weltweit erste automatische Stechhilfe für die Blutzuckermessung. Autolet® wurde 1978 auf den Markt gebracht und begründete damit den Ruf des Unternehmens als Innovator für Medizinprodukte, denn Autolet® ermöglichte eine deutlich bessere Kontrolle der Blutzuckerwerte als zuvor.
Wir sind außerdem stolz darauf, den weltweit ersten Autoinjektor aus Kunststoff (Autoject®) entwickelt zu haben, der es Patientinnen und Patienten wesentlich erleichtert, sich Arzneimittel per Spritze selbst zu verabreichen. Zu weiteren wegweisenden Innovationen des Unternehmens zählen der automatischer Insulin-Pen Accupen® und das erste integrierte Pennadelsystem mit Schutzkappe, welches die Nadel nach dem Entfernen schützt (Unifine® Pentips® Plus).
Das Diabetesportfolio von Owen Mumford umfasst außerdem eine aktive Sicherheits-Pennadel. Welche Vorteile bietet ein aktiver Sicherheitsmechanismus, der von Hand aktiviert wird?
(Mit unserer Sicherheits-Pennadel Unifine SafeControl® [3] werden Anwenderinnen und Anwender aktiv in den Schutzprozess involviert. Der intuitive manuelle Push Tab erlaubt die einfache, einhändige Aktivierung des Sicherheitsmechanismus. Weitere Sicherheitsmerkmale sind der Safety Guard zur Abdeckung der Nadel nach der Injektion zum Schutz vor Nadelstichverletzungen und der zweifache Sicherheitsindikator zur visuellen und akustischen Bestätigung, dass der Sicherheitsmechanismus nach der Injektion bewusst aktiviert wurde. Für die Injektion kann die gleiche Technik wie bei herkömmlichen Pennadeln von Owen Mumford verwendet werden. Man benötigt auch keinen unnötig hohen Anpressdruck wie bei anderen Sicherheitspennadeln (zusätzlicher Schmerz, Gefahr von Hämatomen), damit eine vorzeitige Auslösung des Sicherheitsmechanismus verhindert wird. In Kombination mit der flachen Nadelbasis kann so mit unserer Unifine® SafeControl® die gewünschte Einstichtiefe sichergestellt werden.
Die Nadel der Unifine® SafeControl® Sicherheitspennadel ist vor der Injektion sichtbar und gibt dem medizinischen Personal dadurch die Kontrolle über den Injektionsvorgang. Denn Unifine® SafeControl® wurde entwickelt, um im klinischen Alltag die Sicherheit zu geben, dass Patientinnen und Patienten die vollständige Medikamentendosis erhalten haben. So sind sie vor einer gefährlichen diabetischen Ketoazidose und das Personal gleichzeitig vor Nadelstichverletzungen geschützt.
Fertigt Owen Mumford auch Hilfsmittel und Produkte für andere Therapiebereiche außer Diabetes?
Da unsere Wurzeln in der Entwicklung und Herstellung von Diabetesprodukten liegen, wissen viele vielleicht nicht, dass wir auch Produkte für andere Therapiebereiche fertigen. Unter anderem lancieren wir dieses Jahr unser neues Portfolio mit Sicherheitsprodukten für die venöse Blutabnahme. Auf Grundlage unserer langjährigen Erfahrungen mit der Untersuchung von Kapillarblut haben wir ein Portfolio entwickelt, das Sicherheit, Komfort und Qualität optimiert. Nadelstichverletzungen stellen in vielen medizinischen Einrichtungen ein großes Risiko dar. Unsere Produkte wurden jedoch so konzipiert, dass sie sowohl Patientinnen und Patienten als auch medizinische Fachkräfte schützen.
Eines unserer Vorzeigeprodukte, auf das wir besonders stolz sind, ist Simplitude ByMe. Es handelt sich um ein zuhause verwendbares Kit für HIV-Selbsttests, das in weniger als 15 Minuten ein zuverlässiges Ergebnis liefert. Durch unsere neue Partnerschaft mit ‚HIV Scotland‘ und dem ‚Terrence Higgins Trust‘ konnten wir in Schottland über 7.000 Testkits bereitstellen. Damit möchten wir die Kampagne „Generation Zero“ in der Region unterstützen, deren Ziel es ist, HIV-Infektionen innerhalb einer Generation vollkommen auszurotten.
Schließich betreiben wir auch noch einen zweiten Geschäftszweig: Owen Mumford Pharmaceutical Services (ompharmaservices.com). Mit diesem spezialisieren wir uns auf Konzeption, Entwicklung und Herstellung von Verabreichungssystemen für injizierbare Arzneimittel für die Pharma-, Biotechnologie- und Generikabranche. Unsere Produkte werden weltweit für die Verabreichung verschiedenster Medikamente zur Behandlung vielfältigster Erkrankungen eingesetzt. Unterstützt wird unsere Produktentwicklung durch ein Team von Pharmaexperten, die gemeinsam mit unseren Partnern an der Konzeption neuer Produkte arbeiten.
Das Produktportfolio von Pharmaceutical Services umfasst UniSafe®, eine federfreie, passive Injektionshilfe für vorgefüllte Spritzen, und Aidaptus®, einen zweistufigen Einweg-Autoinjektor, der sich an unterschiedliche Füllmengen anpassen kann und somit eine Anpassung an Rezepturänderungen während der Entwicklung und des Lebenszyklusmanagements möglich macht.
Wie hebt sich das Unternehmen von der Konkurrenz ab?
Wir sind stets auf der Suche nach Talenten aus allen Disziplinen, von der Konzeption bis hin zum Ingenieurswesen, um unsere Ideen in marktfähige Produkte umzusetzen. Unser Ziel ist es, das Leben von Patientinnen und Patienten zu verbessern. Wir stehen im Austausch mit Patientinnen und Patienten sowie medizinischen Fachkräften, um mehr darüber zu erfahren, wie sie Medizingeräte verwenden, welchen Risiken sie sich dabei ausgesetzt sehen, welche Probleme entstehen und welche Vorlieben sie haben. Gepaart mit einem interdisziplinären Team, bestehend aus Ingenieuren aus Forschung und Entwicklung, Experten für Human Factors und Patentanwälten, ermöglichen uns diese Einblicke, Produkte zu entwickeln, die für Endbenutzerinnen und -benutzer optimiert sind. Wir sind stets auf der Suche nach Lösungen für häufige Probleme mit bestehenden Produkten, so dass wie unser Produktangebot ständig erneuern und verbessern.
Nachhaltigkeit ist eine große Herausforderung und genießt in allen Branchen oberste Priorität. Für Hersteller von Einwegmedizingeräten stellt sich dabei eine zusätzliche Schwierigkeit: die Balance zwischen Umweltschutz und Infektionskontrolle. Wie geht Owen Mumford dieses Thema an?
Damit wir das Thema Nachhaltigkeit in der Medizingerätebranche angehen können, müssen wir einen ganzheitlichen Blick auf unsere Prozesse und unseren Betrieb werfen. Unser Augenmerk liegt auf der Optimierung von Prozessen in allen Bereichen, um unsere Gesamtauswirkung auf die Umwelt zu reduzieren. Wir engagieren uns bereits in mehreren Initiativen, die uns bei der Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsziele unterstützen werden. Unsere Teilnahme an der Science Based Targets initiative (SBTi) [4] half uns beispielsweise dabei, zu bestimmen, wie schnell wir unseren Treibhausgasausstoß senken können. Mithilfe dieser Ziele sind wir uns nun sicher, dass wir unser Ziel von „Netto-Null“ bis 2045 erreichen und unsere Emissionen bis 2030 bereits halbieren können. Um auf dem richtigen Weg zu bleiben, haben wir uns einer Prüfung durch Dritte unterzogen, die „B Corp Zertifizierung“ [5]: Wir sind stolz darauf, diese Zertifizierung als einer der ersten Medizingerätehersteller weltweit erhalten zu haben.
Doch mit dem Setzen von Zielen allein ist es noch nicht getan, wir haben bereits zahlreiche Fortschritte gemacht. Unsere britischen Standorte werden inzwischen zu mehr als 99 % mit aus erneuerbaren Quellen gewonnener Energie betrieben, die wir selbst vor Ort durch Solarzellen erzeugen. An unseren Standorten im Vereinigten Königreich, in den USA und in Malaysia konnten wir bereits unseren CO2-Ausstoß in den Relevanzbereichen „Scope 1“ und „Scope 2“ [6] um 27,3 % senken.
Was umfasst eine Prüfung nach B Corp Standard und weshalb haben Sie diesen Weg gewählt?
Nach der Auswahl unserer UN-Nachhaltigkeitsziele war es für uns ein ganz natürlicher nächster Schritt auf unserem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit, eine B Corp-Zertifizierung anzustreben. Eine B Corp-Zertifizierung beweist aber nicht nur Owen Mumfords Engagement im Bereich Umweltschutz, sondern deckt auch weitere Bereiche rund um das Thema verantwortungsvolle Geschäftstätigkeiten ab. Im Rahmen der Prüfung werden verschiedenen umweltbezogene, soziale und Führungsbereiche (ESG-Benchmarks) unter die Lupe genommen, um zu bestimmen, ob die Prozesse eines Unternehmens für eine Zukunft aufgestellt sind, in der es um mehr geht als nur Gewinne.
Wir hatten den Eindruck, dass es notwendig war, unsere Fortschritte durch externe Institutionen prüfen zu lassen, um unserer Nachhaltigkeitsbotschaft ein festes Fundament geben zu können. Einer der wichtigsten Gründe für uns, eine B Corp-Zertifizierung anzustreben, ist die Tatsache, dass sie kein immer gleichbleibender Standard ist. Stattdessen hilft uns die Zertifizierung dabei, laufend Fortschritte bezüglich der ESG-Benchmarks zu machen und die Anforderungen immer weiter zu steigern. Einmal jährlich veröffentlichen wir unseren Bericht über verantwortliche Handlung, den „Responsible Action Report“ [7], auf der Website von Owen Mumford, um zu zeigen, welche Fortschritte wir bei den verschiedenen Zielen machen. Es ist unglaublich wertvoll, wenn Unternehmen ihr Engagement in diesen Bereichen veröffentlichen, weil wir nur so voneinander lernen können. Es würde uns freuen, wenn Unternehmen künftig hier enger miteinander kooperieren würden.
In unserem Responsible Action Report für 2022 berichten wir, wie Owen Mumford Frauen in Ingenieurswesen und Technik unterstützt. Können Sie uns über diese Initiative etwas mehr erzählen?
Eines der von uns gewählten UN-Nachhaltigkeitsziele ist die Verbesserung der Geschlechtergleichstellung in unserem Unternehmen. Eine unserer Maßnahmen, mit deren Hilfe wir dieses Ziel erreichen möchten, ist unser Trainingsprogramm für Mitarbeiterführung und Management, in dem Themen wie beispielsweise unbewusste Vorurteile behandelt werden. So bilden wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mithilfe externer Experten konsequent weiter.
Frauen machen derzeit weniger als ein Drittel der Arbeitskräfte im MINT-Bereich (naturwissenschaftliche Fächer) aus [8] und dieses Ungleichgewicht möchten wir gerne bekämpfen Die Zusammenarbeit mit lokalen Schulen und Hochschulen sowie das Sponsoring von Programmen für den Berufseinstieg, Lehrstellen und Praktika sind nur einige der Möglichkeiten, wie wir versuchen, etwas zu bewirken. Außerdem überwachen und thematisieren wir seit 2017 an allen Unternehmensstandorten Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern.
Wie sieht die nahe Zukunft für Owen Mumford aus?
Owen Mumford blickt auf spannende Zeiten! Aktuell bauen wir eine neue, hochmoderne Fabrik in Witney in der britischen Grafschaft Oxfordshire. Dieser 14 Millionen Pfund teure Standort wurde rund um nachhaltige Prinzipien gestaltet, um eine BREEAM-Zertifizierung [9] zu erhalten. Diese wird für eine ausgezeichnete Leistung in wirtschaftlicher Nachhaltigkeit verliehen. Der Standort wird eine Messlatte für Konzeption und Entwicklung von Medizinprodukten auf Weltklasseniveau darstellen und soll ein Kompetenzzentrum für Automatisierung und Montage werden.
Außerdem konnten wir dieses Jahr unsere neue Direktorin für Forschung und Entwicklung willkommen heißen [10]. Bal Johal besitzt langjährige Erfahrung in der Medizintechnik- und Pharmabranche und war bereits bei Circassia, GlaxoSmithKline, Pfizer und Mundipharma Research Ltd. tätig. Ihr Fachwissen wird uns dabei helfen, neue und innovative Produkte zu entwickeln, die die Erlebnisse von sowohl Patientinnen und Patienten als auch medizinischen Fachkräften verbessern.
Literatur
1. The Times. (2008). John Mumford and family. https://www.thetimes.co.uk/article/john-mumford-and-family-sp953q95p5p
2. Labmate Online. (2012). Owen Mumford Celebrates 60th Anniversary 1952-2012. https://www.labmate-online.com/news/news-and-views/5/owen-mumford-ltd/owen-mumford-celebrates-60th-anniversary-1952-2012-nbsp/22767
3. https://www.owenmumford.com/en/medical-devices/diabetes-care/unifine-safecontrol/safety-pen-needle
4. Science Based Targets initiative – https://www.owenmumford.com/en/node/404
5.https://www.bcorporation.net/en-us/certification
6. https://ghgprotocol.org
7. https://www.owenmumford.com/sites/owen-mumford/files/owen-mumford/responsibility/Responsible Action Report 2022_0.pdf
8. AAUW. The STEM Gap: Women and Girls in Science, Technology, Engineering and Maths. www.aauw.org/resources/research/the-stem-gap
9. https://bregroup.com/products/breeam/how-breeam-works/
10. https://www.owenmumford.com/en/owen-mumford-appoints-new-director-research-and-development